Institut für Gestaltpädagogik, Persönlichkeitsentwicklung und Spiritualität IGPS Rheinland-Pfalz/Saarland e.V.
    Institut für     Gestaltpädagogik,    Persönlichkeitsentwicklung und    Spiritualität     IGPS Rheinland-Pfalz/Saarland e.V.  

Einführung in die Gestaltpädagogik 

Was ist Gestaltädagogik?

 

von Cordula und Herbert Hofmeister  Februar 2020

 

Gestaltpädagogik ist in erster Linie eine Haltung

 

Gestaltpädagogik lehrt Achtsamkeit als Resultat einer klaren Wahrnehmung.

 

Gestaltpädagogik schätzt den achtsamen Umgang mit der eigenen Person, mit dem Mitmenschen, mit der belebten und unbelebten Natur.

 

Gestaltpädagogik folgt keiner spezifischen Weltanschauung.

 

Gestaltpädagogik wertet nicht.

 

Gestaltpädagogik arbeitet auf Augenhöhe.

 

Gestaltpädagogik klärt Bedürfnisse und Verantwortlichkeiten.

 

Gestaltpädagogik eröffnet neue Perspektiven und vermittelt Zuversicht.

 

Gestaltpädagogik schult Wahrnehmung mit allen unseren Sinnen.

 

In der Gestaltpädagogik kommen Bewegung, Tanz, Musik, behutsamer Körperkontakt, Zeichnen, Malen, Modellieren, Gestikulieren und Rollenspiel zum Einsatz.

 

Mit dem Fokus auf eine klare und umfassende Wahrnehmung nimmt die Gestaltpädagogik nicht nur innere Haltungen, Kompetenzen und äußere Bedingungen in den Blick, sondern hebt auch scheinbare Widersprüche auf: Ordnung, Leistung, Respekt und gute Beziehungen ergänzen einander auf dem Weg zu einer authentischen Persönlichkeit.

 

Gestaltpädagogik ist aus der Gestalttherapie hervorgegangen. Während Gestalttherapie das Beheben seelisch bedingter Störungen zum Ziel hat, konzentriert sich Gestaltpädagogik in erster Linie auf die Entfaltung der Persönlichkeit, bei gleicher Geisteshaltung und ähnlichen Methoden.

 

 

Theoretische Grundlagen

 

Begriffsbestimmungen

 

Gestaltpädagogik bedeutet: Förderung der Wahrnehmung. Wahrnehmen beinhaltet immer auch einen Kontakt herstellen und eine Beziehung eingehen.

 

Unsere Wahrnehmung geschieht in Gestalten. Nur eine Figur, die sich von einem Grund abhebt, lässt sich von uns wahrnehmen. Die Figur, die für uns im Wahrnehmungsmoment prägnant oder bedeutsam wird, nennen wir Gestalt. Figur und Grund können verschiedene Qualitäten haben. Sie können optisch (die Blume auf einer Wiese), akustisch (die Melodie vor den Begleitstimmen), sensorisch (der Zimtgeschmack im Apfelkuchen) oder emotional (das beglückende Gefühl nach langem Wiedersehen) wahrgenommen werden. Wahrnehmen können wir immer nur im gegenwärtigen Augenblick – „Im Hier und Jetzt“. Vergangenes wird im Augenblick der Wahrnehmung als mehr oder weniger lebendige Erinnerung präsent.

 

Gestaltpädagogik geht von der grundsätzlichen Leib-Seele-Geist-Einheit des Menschen aus.

Gestaltpädagogik versteht den Menschen als selbstregulierenden Organismus im Kontakt mit seinem lebensnotwendigen, physischen und sozialen Umweltfeld (Boeckh S.19)

 

Signalisiert die Gestalt, d.h. unsere momentane Wahrnehmung ein Bedürfnis, so wird dieses in einem selbstregulierenden Prozess bis zur Bedürfnisbefriedigung verfolgt.

 

Klassisches Beispiel:  „Hunger“

Gefühl taucht auf

Hunger wird wahrgenommen

Essbares wird in den Blick genommen

Das Nahrungsmittel wird gegriffen

abgebissen/gekaut/geschluckt

verstoffwechselt

dem Organismus nutzbar gemacht

Hunger gestillt

Wachstum initiiert

 

Dieser Prozess wird häufig auch als Gestaltzyklus oder Gestaltwelle dargestellt.

 

Geistige und seelische Bedürfnisse finden über vergleichbare Prozesse ihre Erfüllung. Kommt ein Prozess zum Abschluss und ist somit das Bedürfnis befriedigt, wird dieser Zustand als geschlossene Gestalt bezeichnet.

 

Situative Gegebenheiten, gesellschaftliche Normen, Moralvorstellungen, soziale Abhängigkeiten und/oder Ängste bringen uns immer wieder in Konflikte. In dieser Ambivalenz gefangen, stellen wir häufig unsere eigenen Bedürfnisse zurück und vereiteln so bewusst oder unbewusst deren Befriedigung.

 

Vielleicht nehmen wir ein Bedürfnis erst gar nicht oder unvollkommen wahr. Oder der Prozess zur Befriedigung unseres Bedürfnisses ist bereits angestoßen und gerät durch unsere Konflikte noch vor seinem Abschluss ins Stocken. Das bedeutet: Die Gestalt bleibt offen.

Nichtwahrnehmen und Stocken werden als Kontaktstörungen bezeichnet.

 

 

Die Gestaltpädagogik unterscheidet fünf verschiedene Kontaktstörungen:

 

  1. Introjektion: die Person übernimmt ungeprüft eine fremde, ihr nicht eigentümliche Eigenschaft oder Meinung (z.B. einen Mustersatz).
  2. Projektion: die Person überträgt eine von ihr nicht tolerierte Eigenschaft (Schatten) auf eine andere Person.
  3. Retroflexion: die Person wendet die einer anderen Person zugedachte Haltung oder Handlung gegen sich selbst (Autoaggression).
  4. Konfluenz: die Person „verschmilzt“ mit den Interessen einer anderen Person (fehlende Grenzziehung).
  5. Deflektion: die Person vermeidet den Kontakt, zieht sich vom Kontakt zurück.

 

Abhängig von ihrer jeweiligen Eigenschaft können Kontaktstörungen an einer oder mehreren Stellen im Gestaltzyklus auftreten.

 

Kontaktstörungen können als „Notlösungen“ betrachtet werden, die uns helfen, Schwierigkeiten, die wir im Augenblick nicht anders lösen können, zu entschärfen. Als „Problemlöser“ unterstützen sie unser Selbst. Die Gestaltpädagogik bezeichnet daher den Rückgriff auf Kontaktstörungen als Selbstunterstützung.

 

Gestaltpädagogik ermöglicht durch achtsame Wahrnehmung das Aufspüren von Kontaktstörungen.  Erst die bewusste Wahrnehmung macht es möglich zu beurteilen, inwieweit bestimmte Kontaktstörungen weiterhin hilfreich sind, einer Veränderung bedürfen oder aufgelöst werden können. Kontaktstörungen sind nicht mehr erforderlich, wenn die Ursachen, die sie aktiviert haben, nicht mehr gegeben sind oder zwischenzeitlich integriert werden konnten. Integration bedeutet, ich mache z.B. eine zunächst fremde Anschauung oder Moralvorstellung oder eine neue Erfahrung mir zu eigen und akzeptiere diese jetzt als Teil meiner Persönlichkeit.

 

Kontaktstörungen, von unserem Gehirn als gangbaren Weg zur Vermeidung von Ängsten und Schwierigkeiten akzeptiert, zeichnen sich durch eine große Beharrlichkeit aus. Als „Notlösungen“ verzehren sie viel Lebensenergie und können, wenn sie über einen langen Zeitraum bestehen, zu seelischen und/oder körperlichen Problemen führen. Daher sind Nachbesserungen und Neuverhandlungen, abgestimmt auf unsere gegenwärtige Situation, immer wieder lohnend. Durch die Befreiung von unnötigem Ballast lassen sich persönliche Ressourcen, größere Lebendigkeit und Lebensfreude (wieder)entdecken.

 

Literatur:

            Albrecht Boeckh Gestalttherapie- Eine praxisbezogene Einführung - ,

            2015 Psychosozial-Verlag, Gießen

 

            Erhard Doubrawa/Stefan Blankertz Einladung zur Gestalttherapie-

            2010 Peter Hammer Verlag, Wuppertal

 

 

 

 

 

 

 

 

Mail: maria.walter@igps.de

www.igps.de

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